Beitrag auf Facebook von Hr. Oliver Diekmann

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Herr Diekmann hat mir die Erlaubnis gegeben, den Beitrag unter seinem Namen zu publizieren.

„Nun ist es eine Woche her, seitdem auf dieser Facebook-Seite der letzte Inhalt erschien. Es ist das erste Mal seit vielen Jahren, dass in diesem Projekt so lange keine Beitrag zu sehen waren. Es gab keine Neuveröffentlichung, keine Wiederholung … und jetzt äußere ich mich persönlich dazu. Auf diesem Photo seht Ihr mich, den Menschen hinter diesem ehrenamtlichen Projekt.

Ich bin biographisch eng mit jener historischen Straße verbunden, über welche ich in meinem Projekt berichte. Meine Vorfahren lebten direkt an der damaligen Reichsstraße 1 in Ließau, dem heute polnischen Lisewo Malborskie. Ich selber wohne im Ruhrgebiet, nahe der früheren Bundesstraße 1 und heutigen Autobahn 40. Aber es geht hier nicht um mich, es geht um eine Straße … und um die Menschen, welche entlang dieser wohnen.

Etwa jeder zehnte Mensch in Deutschland lebt in einem Ort an der früheren R1. Betrachtet man ganz Europa, dann ist es jeder hundertste. Schon das allein zeigt, wie bedeutend dieser Verkehrsweg ist. An kaum einer anderen Route lassen sich derart viele Spuren der deutschen sowie der europäischen Geschichte finden. Eigentlich müsste daher doch viel davon berichtet werden? Leider nein. Und daher mache ich es.

Unter den Motto „Geschichte erfahren!“ findet seit über 10 Jahren eine virtuelle Reise auf dieser Straße statt. Seither sind unzählige Inhalte veröffentlicht worden, es gibt tausende Bilder. Jeder Beitrag wurde gründlich recherchiert, alle Inhalte sind historisch korrekt und politisch neutral. Inzwischen ist so eines der größten Archive über eine einzelne Straße weltweit entstanden. Und das rein ehrenamtlich, von einer einzigen Person erstellt. Von mir.

Warum ich das mache, werde ich oft gefragt. Geschichte muss erzählt werden, antworte ich dann. Denn woher sollen Menschen die Geschichte kennen, wenn sie ihnen nicht erzählt wird? Nicht so trocken und langweilig, wie in der Schule … nicht so oberlehrerhaft, wie in den öffentlich-rechtlichen Medien … sondern unterhaltsam und interessant, um eben auch Interesse an Geschichte zu wecken.

Genau das mache ich nun seit über 10 Jahren, und zwar rein ehrenamtlich. Ich weiß, was ich geleistet habe … doch scheinbar fällt das kaum jemandem auf? Noch nie gab es irgendeine Anerkennung oder Auszeichnung für mein ehrenamtliches Engagement. Für zehntausende Stunden ehrenamtlicher Arbeit habe ich nichts bekommen – rein gar nichts. Hätte ich mich in einem anderen Bereich derart lange ehrenamtlich engagiert, dann wäre das öffentliche Interesse wahrscheinlich wesentlich größer.

Die heutige Bundesstraße 1 führt quer durch Deutschland. Sie verläuft dabei durch 5 Bundesländer und durch 13 Großstädte. Eigentlich müsste es doch irgendwo irgendjemanden geben, der meine unermüdliche Arbeit sieht? Jemanden, dem auffällt, was ich geleistet habe? Doch ehrenamtliches Engagement in diesem Bereich erhält leider kaum Dank, sondern wird oft völlig übersehen. Das tut weh. Und dennoch habe ich unermüdlich weitergemacht … bis jetzt.

Denn zu der gesellschaftlichen Ignoranz gegenüber meinem ehrenamtlichen Engagement kommen auch noch die Erschwernisse durch Facebook. Sehr bewusst habe ich mein Projekt damals hier begonnen, um möglichst viele Menschen unterschiedlicher Generationen und aus verschiedenen Ländern zu erreichen. Die historische Reichsstraße 1 führte von der niederländischen bis zur litauischen Grenze und ihre Trasse gehört heute zu Deutschland, Polen sowie Russland.

Die von mir erstellten Inhalte sind thematisch weit gestreut, weil ich unterschiedliche Menschen damit ansprechen möchte. Die Gesellschaft lebt von Vielfalt und genauso vielfältig sind meine Beiträge. Die Reichweite dieser Facebook-Seite müsste also riesig sein? Denkt man, doch leider ist das Gegenteil der Fall. Viele der von mir aufwendig erstellten Inhalte werden kaum jemandem gezeigt, weil Facebook deren Reichweite radikal beschränkt.

Im Archiv befinden sich inzwischen so viele Inhalte, dass ich an jedem Tag des Jahres einen thematisch zum Datum passenden Inhalt wiederholen könnte. Für die letzten 7 Tagen gibt es über 30 Archivbeiträge … von welchen Ihr die meisten wahrscheinlich nicht kennt? Und das, obwohl sie jährlich wiederholt wurden. Es liegt an Facebook, dass Ihr hochwertigen Inhalte vielleicht noch nie gesehen habt.

Einige von Euch werden sicher Auch schon negative Erfahrungen mit diesem Netzwerk gemacht haben? Falls nicht, dann könnt Ihr an den folgenden 10 Beispielen sehen, auf welch unterschiedliche Art Facebook mein ehrenamtliches Engagement erschwert hat.

1️⃣ Seite war komplett offline:
Ich bekam eine Meldung, dass meine Facebook-Seite gegen die Gemeinschaftsstandards verstoßen würde und daher für niemanden mehr sichtbar ist. Als Begründung gab es nur die schwammige Formulierung „Nachahmung“. Später war die Seite dann wieder online und es wurde mit einem „technischen Fehler“ begründet.

2️⃣ Heimliches Sperren der Seite:
Ich bekam die Mitteilung, dass meine Seite nun wieder bewertet werden könne und empfohlen werden würde, die Sperre sei nun aufgehoben worden. Bis dahin wusste ich überhaupt noch nicht, dass es derartige Einschränkungen gab. Eventuell habe ich also monatelang Inhalte veröffentlicht, ohne dadurch neue Follower zu erreichen?

3️⃣ Löschen historischer Inhalte:
Schon mehrfach wurden Inhalte von Facebook gelöscht, welche historische Ereignissen thematisierten. Zum Beispiel gab es einen Beitrag über das Lied der Deutschen. Nachdem dieser Inhalt schon mehrere Jahre online war wurde er gelöscht, weil ich das originale Manuskript des Textes gezeigt habe. Eine Begründung für das Entfernen des Beitrages über „Churchills Streichhölzer“ gab es hingegen nicht.

4️⃣ Inhalte erst verspätet angezeigt:
Viele meiner Beiträge haben einen Bezug zum Datum und werden uninteressant, sofern sie erst verspätet angezeigt werden. Einer der von mir für Euch erstellten Adventskalender erhielt kaum Likes, weil er erst über zwei Wochen nach Veröffentlichung zu sehen war. Facebook hat auf diese Art das liebevolle Erstellen von 24 Beiträgen mit „Plätzchen an der Eins“ sinnlos gemacht.

5️⃣ Löschen harmloser Beiträge:
Ein Beitrag über Inseln an der Bundesstraße 1 klingt eher verwunderlich als gefährlich, oder? Denn immerhin ist die B1 eine Straße im Binnenland und Inseln sind zudem keine Gefahr. Es ging übrigens um Fluss- und Halbinseln, über welche die Straße führt. Und dieser Inhalt wurde von Facebook gelöscht, irgendwann war er plötzlich nicht mehr da.

6️⃣ Live-Video unauffindbar:
Für den Jahresrückblick wollte ich 3 Videos verlinken … und fand eines davon nicht mehr?! Es war ein dreiteiliges, spontanes Live-Video von einer Fahrt durch das Ruhrgebiet. Ich habe viel erzählt beim Fahren, spannende Details und lustige Anekdoten … alles umsonst, denn dieses einmalige Zeitdokument wurde unwiederbringlich zerstört.

7️⃣ Zensur von Worten statt Inhalt:
Oft erstelle ich Beiträge mit Bezug zu aktuellen Ereignissen. So auch, als der Türkische Präsident bei der Eröffnung einer Moschee in Köln war. Das war Thema in allen Medien und ich habe einen Beitrag über das Dampfmaschinenhaus in Potsdam erstellt. Dieses versorgte die große Fontäne in Sanssouci mit Wasser und wurde „nach Art der türkischen Moscheen mit einem Minarett als Schornstein“ errichtet. Ein kulturell wertvoller Inhalt, welcher von Facebook gelöscht wurde.

8️⃣ Zensur vor Veröffentlichung:
Früher konnte ich im Creator Studio Beiträge mit vielen Bildern und deren Bildunterschriften noch bequem vorbereiten. Beim Erstellen eines sehr umfangreichen Mehrbildbeitrages wurde ich von Facebook plötzlich blockiert … wohlgemerkt beim Arbeiten an einem Inhalt, welcher dann erst nach seiner Fertigstellung veröffentlicht werden sollte.

9️⃣ Verschlimmbesserung:
Sowas kann heute allerdings nicht mehr passieren. Denn statt Creator Studio muss man heute die Business Suite nutzen und mit dieser lassen sich Mehrbildbeiträge nicht mehr ordentlich erstellen. Als Historiker ist es mir wichtig, dass jedes einzelne Bild Quellenangabe sowie Text enthält. Beiträge mit mehreren Bildern kann ich also nicht mehr vernünftig planen, sondern muss diese wenn manuell veröffentlichen.

🔟 Unsichtbarkeit in Gruppen:
Die Inhalte der Seite habe ich händisch in über 200 Facebook-Gruppen geteilt. Immer thematisch zur Gruppe passend und oft auch mit einem Bezug zum Datum. Ein enormer Aufwand … nur, um Menschen die ehrenamtlich erstellten Inhalte zugänglich zu machen. Aber die Reichweite dieser Gruppenbeiträge war quasi gleich Null, fast niemandem wurden sie gezeigt.

Man kann hier nicht mehr von Einzelfällen reden, es ist ein systemisches Problem. Einerseits das US-amerikanische Facebook, welches scheinbar tun und lassen darf, was es möchte. Andererseits aber auch die deutsche und die europäische Politik, welche diesem Wildwuchs seit Jahren tatenlos zusehen.

Wer jetzt sagt, dass es doch unwichtig sei, denn es gehe ja schließlich nur um eine Straße … der irrt gewaltig, denn es geht um so viel mehr! Inhaltlich geht es hier, in meinem ehrenamtlichen Projekt, zwar „nur“ um eine Straße. Aber im Großen und Ganzen geht es um Demokratie, um Meinungsfreiheit, um Vielfalt … und darum, dass Facebook das Ehrenamt unehrenhaft behandelt.

Unterm Strich ist das Zensur. Denn Facebook erschwert mein ehrenamtliches Engagement und verhindert auf subtile Art, dass die von mir erstellten Beiträge öffentlich zugänglich sind. Meine Inhalte haben einen Wert, denn es geht um Geschichte, um Kultur und um Wissensvermittlung. Es ist unglaublich, wie Facebook wertvolle Inhalte blockiert.

Aber es ist leider so. Schaut selber … hier könnt Ihr es mit eigenen Augen sehen:

Ein Beitrag handelt vom Hildesheimer Bischof Bernward, dessen von ihm errichtete Kirche heute zum Welterbe der UNESCO gehört. Facebook hat drei der Bilder dieses ausführlichen Beitrages als „drastisch“ markiert, so dass Ihr diese nicht direkt sehen könnt. Ihr müsst erst zustimmen, um diese „drastischen Bilder“ angezeigt zu bekommen.

Ein Photo vom Denkmal des Bischofs, eine Zeichnung der Michaeliskirche, eine Lithographie der Gruft … alles „drastisch“? Klickt hier, um zum Beitrag zu gelangen. Überzeugt Euch selber davon, wie Facebook wertvolle Inhalte wertlos macht:
https://www.facebook.com/share/p/1YhSwnhPXN/ — enttäuscht.