Das Auswärtige Amt sollte seine Geschichtskenntnisse auffrischen

Neulich war wieder was los beim Auswärtigen Amt. Da gab es eine große Lobeshymne auf die Türkei und die fleißigen türkischen Gastarbeiter. Die hätten, so heißt es dort, das deutsche Wirtschaftswunder erst möglich gemacht und Deutschland mit aufgebaut. Klingt toll – ist aber ziemlicher Quatsch.

Wahrheit über das Wirtschaftswunder

Das deutsche Wirtschaftswunder fand direkt nach dem Krieg statt, in den 1950er-Jahren. Deutschland lag noch in Trümmern, die Leute hatten Hunger und mussten sich neu erfinden. Die ersten ausländischen Arbeitskräfte kamen aber nicht aus der Türkei! Da standen lange vorher Italiener, Griechen und Spanier in den Fabrikhallen und halfen fleißig mit. Das Anwerbeabkommen mit Italien gab es schon 1955, Griechenland und Spanien folgten 1960. Die Türken kamen – jetzt bitte festhalten – erst ab 1961 nach Deutschland. Da war das Wirtschaftswunder aber schon im Endspurt und das Land wieder richtig in Schwung.

Zeitstrahl der Gastarbeiter

  • 1945: Krieg vorbei, Deutschland in Trümmern.
  • 1955: Die ersten Italiener werden als Gastarbeiter angeworben.
  • 1960: Griechen und Spanier stoßen dazu.
  • 1961: Erst jetzt wird das Abkommen mit der Türkei unterschrieben und die ersten Türken reisen an.
  • Ab Mitte der 1960er Jahre: Immer mehr türkische Arbeitskräfte kommen, aber das eigentliche Wirtschaftswunder war da längst gelaufen.

Ein bisschen Spott muss sein

Man kann sich das so vorstellen: Da sitzt jemand im Auswärtigen Amt, hat gerade zu viel Doku-Soap geschaut und haut einfach mal so einen Satz raus, als hätten die Türken das ganze Land aus den Ruinen gezogen. Wer solche Märchen verbreitet, muss wohl beim Geschichtsunterricht gerade Pause gemacht haben.

Die Italiener, Griechen und Spanier schauen bestimmt erstaunt, wenn sie erfahren, dass sie nun plötzlich Statisten in ihrer eigenen Geschichte sind. Dabei waren sie diejenigen, die zu Beginn die Maschinen in den Fabriken angeschmissen haben, während in Istanbul noch die Koffer gepackt wurden.

Lieber Außenminister Johann Wadephul: