ZDFinfo: Der neue deutsche Reichsfunk?
Man kann nicht vorsichtig genug sein. Es fängt harmlos an: ein majestätischer Adler, ausgebreitete Schwingen, goldene Krallen – und zack, schon steht der Untergang der Demokratie ins Haus. Denn wie uns gewissenhafte Experten des Zweiten Deutschen Fernsehens, dem neuen Reichsfunk, mit leuchtgelbem Hintergrund mitteilen, ist der Adler nicht einfach nur Wappentier Deutschlands, sondern ein potenziell gefährliches, nationalistisch aufgeladenes Federvieh.
Ja, richtig gelesen: der Adler. Dieses Ungetüm mit Federn, das seit Jahrhunderten Könige, Republiken, Imperien und Fußball-Niederlagen gleichermaßen ziert. Ein Symbol für Macht, Unsterblichkeit und Kampfgeist – das geht natürlich gar nicht! Wer heute noch öffentlich für Macht steht, statt sich in moralischer Selbstauflösung zu üben, der will wahrscheinlich morgen schon wieder Grenzen sichern oder gar Steuern sinnvoll einsetzen. Unvorstellbar.
Dass der Adler in der germanischen Mythologie für Stärke und Weitblick stand, ist natürlich erschütternd. Stärke – in einer Zeit, in der Schwäche endlich als Tugend gefeiert wird? Und Weitblick – wo doch „Kürzer treten“ und „Sichtverengung“ zu den Leitmotiven der Gegenwart zählen? Wer sowas positiv deutet, hat vermutlich auch noch ein Faxgerät.
Wir brauchen dringend ein neues Wappentier. Eine Taube vielleicht – symbolträchtig, sanft und mit hoher Flugausfallquote. Oder warum nicht gleich ein Faultier? Das würde unseren energiepolitischen Realismus perfekt spiegeln.
Für gewisse Teile der Bevölkerung sollte auch das Chamäleon als Wappentier in Betracht gezogen werden, rückgratlos und flexibel in der eigenen Auffassung.
Und wenn jemand diesen Vorschlag lächerlich findet: Dann ist Polen offen. Wortwörtlich.
Nationalstaaten sind ja sowas von gestern. Wer heute noch an Souveränität glaubt, glaubt vermutlich auch an Schuldenbremsen und funktionierende Ampeln.
Natürlich kann man über alles reden. Auch darüber, ob ein Tier auf einem Stück Papier jetzt irgendwie Gefühle triggert. Aber vielleicht sollten wir zwischendurch mal durchatmen, uns an einen Tisch setzen – mit einem Bild vom Adler darüber –, und uns fragen, ob wir eigentlich noch alle Tassen im Schrank haben.
Wenn der Adler schon als latent gefährlich gilt, was machen wir dann mit dem Löwen in bayerischen Wappen? Oder dem Brandenburger Tor, das ja wohl auch eindeutig „geschlossenes Denken“ symbolisiert?
Ich schlage vor: Wir löschen alles, nennen das dann „Demokratie“ und feiern uns für unsere historische Sensibilität.
Und wer das nicht einsieht? Sie wissen ja: Dann ist Polen offen.