Man muss sich das einmal auf der Zunge zergehen lassen: Staatliche Bibliotheken dürfen offiziell vor „umstrittenen Büchern“ warnen. Hurra! Der Vormundsstaat ist zurück – diesmal nicht mit Uniform und Lederstiefeln, sondern im Gewand der „Sensibilität“ und „Aufklärung“. Bald kommt vielleicht noch ein Warnhinweis auf Thomas Mann: „Achtung! Dieses Buch enthält patriarchale Strukturen und kolonialistische Weltbilder.“

Ein Gericht in Münster hat nun entschieden, dass der Leser bitte nicht mehr eigenständig denken, sondern vorher schön gewarnt werden soll. Nicht, dass jemand beim Lesen eines umstrittenen Gedankens ins Grübeln gerät! Nein, besser gleich abschrecken – damit auch jeder weiß: Dieses Buch ist irgendwie „bäh“. Ein echtes Gütesiegel des Zeitgeists.

Und wie schön das doch passt: Wir warnen heute, wir stigmatisieren morgen – und übermorgen? Ja, da machen wir ein lauschiges kleines Lagerfeuer auf dem Rathausplatz. Ganz im Sinne der hygienischen Reinheit des öffentlichen Diskurses. Bücherverbrennung 2.0 – diesmal mit veganem Bio-Anzünder und begleitet von einem Poetry Slam gegen Hate Speech.

Ein Hoch auf das Verwaltungsgericht Münster – dort wird nicht nur Recht gesprochen, sondern gleich die Ideologie von morgen gleich mitgeliefert. Vielleicht gibt’s ja bald auch eine App, die einem beim Betreten der Bibliothek mitteilt: „Sie betreten jetzt einen Bereich mit potenziell gefährlichen Gedanken. Bitte denken Sie nur mit behördlich genehmigtem Schutzbewusstsein.“

Ironie aus. Realität an. Und das macht Angst.